http://www.kleistdaten.de/api.php?action=feedcontributions&user=84.167.229.156&feedformat=atomKleistDaten - Benutzerbeiträge [de]2024-03-29T13:54:07ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.35.8http://www.kleistdaten.de/index.php?title=Brief_1799-11-12&diff=10884Brief 1799-11-122011-07-03T07:20:18Z<p>84.167.229.156: </p>
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<div>[[Frankfurt an der Oder]], 12. [[November]] [[1799]]<br />
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Absender: [[Kleist, Heinrich von|Heinrich von Kleist]]<br />
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Adressat: [[Kleist, Ulrike von|Ulrike von Kleist]]<br />
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<p>Frankfurt a. d. Oder, den 12. November 1799 </p><br />
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<p>Ich war zuerst willens, der langen Verspätung dieses Briefes eine Rechtfertigung voranzuschicken; aber es fällt mir ein, daß doch eben nicht viele Billigkeit dazu gehört, sie zu entschuldigen, wenn man mich und die Absicht meines Hierseins kennt. Ich habe mir ein Ziel gesteckt, das die ununterbrochene Anstrengung aller meiner Kräfte und die Anwendung jeder Minute Zeit erfordert, wenn es erreicht werden soll. Ich habe besonders in diesem meinem zweiten akademischen Kursus eine Masse von Geschäften auf mich geladen, die ich nicht anders als mit dem allermühsamsten Fleiße bearbeiten kann; eine Masse von Geschäften, die selbst nach dem Urteile Hüllmanns zu schwer für mich ist, und von der ich daher, wenn ich sie dennoch trage, mit Recht sagen kann, daß ich das fast Unmögliche möglich gemacht habe. Unter diesen Umständen siehst Du wohl ein, daß es bisher nötig war, mich oft mit einem augenblicklichen Andenken an Dich zu begnügen; und daß mir selbst jetzt die Zeit einer schriftlichen Unterhaltung mit Dir noch nicht geworden wäre, wenn durch den Eintritt der Messe die akademischen Vorlesungen nicht ausgesetzt worden wären. Diese vierzehn Tage der Ruhe, diesen Sonntag für meine lange geschäftsvolle Woche, benutze ich, um mich einmal nach Herzenslust zu vergnügen; und dieses Vergnügen soll ein Brief an Dich sein.</p><br />
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<p>Wenn man sich so lange mit ernsthaften abstrakten Dingen beschäftigt hat, wobei der Geist zwar seine Nahrung findet, aber das arme Herz leer ausgehen muß, dann ist es eine wahre Freude, sich einmal ganz seine Ergießungen zu überlassen; ja es ist selbst nötig, daß man es zuweilen ins Leben zurückrufe. Bei dem ewigen Beweisen und Folgern verlernt das Herz fast zu fühlen; und doch wohnt das Glück nur im Herzen, nur im Gefühl, nicht im Kopfe, nicht im Verstande. Das Glück kann nicht, wie ein mathematischer Lehrsatz bewiesen werden, es muß empfunden werden, wenn es da sein soll. Daher ist es wohl gut, es zuweilen durch den Genuß sinnlicher Freuden von neuem zu beleben; und man müßte wenigstens täglich <i>ein</i> gutes Gedicht lesen, <i>ein</i> schönes Gemälde sehen, <i>ein</i> sanftes Lied hören - oder ein herzliches Wort mit einem Freunde reden, um auch den schönern, ich möchte sagen den menschlicheren Teil unseres Wesen zu bilden.</p><br />
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<p>Dieses letzte Vergnügen habe ich seit Deiner Abwesenheit von hier gänzlich entbehren müssen, und grade dieses ist es, dessen ich am meisten bedarf. Vorsätze und Entschlüsse wie die meinigen bedürfen der Aufmunterung und der Unterstützung mehr als andere vielleicht, um nicht zu sinken. <i>Verstanden</i> wenigstens möchte ich gern zuweilen sein, wenn auch nicht aufgemuntert und gelobt, von <i>einer</i> Seele wenigstens möchte ich gern zuweilen verstanden werden, wenn auch alle andern mich verkennen. Wie man in einem heftigen Streite mit vielen Gegnern sich umsieht, ob nicht einer unter allen ist, der uns Beifall zulächelt, so suche ich zuweilen Dich; und wie man unter fremden Völkern freudig einem Landsmann entgegenfliegt, so werde ich Dir, mein liebes Ulrikchen entgegenkommen. Nenne es immerhin Schwäche von mir, daß ich mich so innig hier nach Mitteilung sehne, wo sie mir so ganz fehlt. Große Entwürfe mit schweren Aufopferungen auszuführen, ohne selbst auf den Lohn <i>verstanden zu werden</i> Anspruch zu machen, ist eine Tugend, die wir wohl bewundern, aber nicht <i>verlangen</i> dürfen. Selbst die größten Helden der Tugend, die jede andere Belohnung verachteten, rechneten doch auf diesen Lohn; und wer weiß, was Sokrates und Christus getan haben würden, wenn sie voraus gewußt hätten, daß keiner unter ihren Völkern den Sinn ihres Todes verstehen würde. Willst Du es doch eine Schwäche nennen, so ist es höchstens die Schwäche eines Münzensammlers z. B. der zwar hauptsächlich für sich und zu seinem Vergnügen, zu seinem Nutzen sammelte, und daher auch nicht zürnt, wenn die meisten gleichgültig bei seiner sorgfältig geordneten Sammlung vorübergehen, aber eben deswegen um so viel lieber einmal einen Freund der Kunst in sein Kabinett führt. Denn meine Absichten und meine Entschlüsse sind solche Schaumünzen, die aus dem Gebrauche gekommen sind und nicht mehr gelten; daher zeige ich sie gern zuweilen einem Kenner der Kunst, damit er sie prüfe und mich überzeuge, ob, was ich so emsig und eifrig sammle und aufbewahre, auch wohl echte Stücke sind, oder nicht.</p><br />
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<p>- Ich überlese jetzt den eben vorangegangnen Punkt, und finde, daß er mir mißfallen würde, wenn ich ihn, so wie Du hier, aus dem Munde eines jungen Menschen hörte. Denn mit Recht kann man ein Mißtrauen in solche Vorsätze setzen, die unter so vielen Menschen keinen finden, der sie verstünde und billigte. Aber doch ist es mit den meinigen so; verstanden werden sie nicht, das ist gewiß, und daher, denke ich, werden sie nicht gebilligt. Wessen Schuld es ist, daß sie nicht verstanden werden -das getraue ich mich wenigstens nicht zu meinem Nachteil zu entscheiden. Wenn ein Türke und ein Franzose zusammenkommen, so haben sie wenigstens <i>gleiche</i> Verpflichtung, die Sprache des andern zu lernen, um sich verständlich zu machen. Tausend Bande knüpfen die Menschen aneinander, gleiche Meinungen, gleiches Interesse, gleiche Wünsche, Hoffnungen und Aussichten; - alle diese Bande knüpfen mich nicht an sie, und dieses mag ein Hauptgrund sein, warum wir uns nicht verstehen. Mein Interesse besonders ist dem ihrigen so fremd, und ungleichartig, daß sie - gleichsam wie aus den Wolken fallen, wenn sie etwas davon ahnden. Auch haben mich einige mißlungene Versuche, es ihnen näher vor die Augen, näher ans Herz zu rücken, für immer davon zurückgeschreckt; und ich werde mich dazu bequemen müssen, es immer tief in das Innerste meines Herzens zu verschließen.</p><br />
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<p>Was ich mit diesem Interesse im Busen, mit diesem heiligen, mir selbst von der Religion, von <i>meiner</i> Religion gegebnen Interesse im engen Busen, für eine Rolle unter den Menschen spiele, denen ich von dem, was meine ganze Seele erfüllt, nichts merken lassen darf, - das weißt Du zwar nach dem äußern Anschein, aber schwerlich weißt Du, was oft dabei im Innern mit mir vorgeht. Es ergreift mich zuweilen plötzlich eine Ängstlichkeit, eine Beklommenheit, die ich zwar aus allen Kräften zu unterdrücken mich bestrebe, die mich aber dennoch schon mehr als einmal in die lächerlichsten Situationen gesetzt hat.</p><br />
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<p>Die einzige Gesellschaft, die ich täglich sehe, ist Zengens, und ich würde um dieser peinlichen Verlegenheit willen, auch diese Gesellschaft schon aufgegeben haben, wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, mich durchaus von diesem unangenehmen Gefühl zu entwöhnen. Denn auf meinem Lebenswege werden mir Menschen aller Art begegnen, und jeden muß ich zu nutzen verstehen. Dazu kommt, daß es mir auch zuweilen gelingt, recht froh in dieser Gesellschaft zu sein; denn sie besteht aus lauter guten Menschen, und es herrscht darin viele Eintracht, und das Äußerste von Zwanglosigkeit. Die älteste Zengen, Minette, hat sogar einen feineren Sinn, der für schönere Eindrücke zuweilen empfänglich ist; wenigstens bin ich zufrieden, wenn sie mich zuweilen mit Interesse anhört, ob ich gleich nicht viel von ihr wieder erfahre. Aber von allem diesen ist nichts, wenn der ganze Haufen beisammen ist. Ein Gespräch kann man ihr sich durchkreuzendes Geschwätz nicht nennen. Wenn ein Gespräch geführt werden soll, so muß man bei dem Gegenstande desselben verweilen, denn nur dadurch gewinnt es Interesse; man muß ihn von allen seinen Seiten betrachten, denn nur dadurch wird es mannigfaltig und anziehend. Aber hier - doch Du kennst das. Ich wollte Dir nur zeigen, daß das Interesse, das mir die Seele erfüllt, schlecht mit dem Geiste harmoniert, der in dieser Gesellschaft weht; und daß die Beklommenheit, die mich zuweilen ergreift, hieraus sehr gut erklärt werden kann.</p><br />
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<p>Ich sage mir zwar häufig zu meinem Troste, daß es nicht die <i>Bildung für die Gesellschaft</i> ist, die mein Zweck ist, daß diese Bildung, und mein Zweck, zwei ganz verschiedne Ziele sind, zu denen zwei ganz verschiedne Wege nach ganz verschiednen Richtungen führen - denn wenn man z. B. durch häufigen Umgang, vieles Plaudern, durch Dreistigkeit und Oberflächlichkeit zu dem einen Ziele kommt, so erreicht man dagegen nur durch Einsamkeit, Denken, Behutsamkeit und Gründlichkeit das andere usw. Auch soll mein Betragen jetzt nicht gefallen, das Ziel, das ich im Sinne habe, soll für töricht gehalten werden, man soll mich auf der Straße, die ich wandle, auslachen, wie man den Colomb auslachte, weil er <i>Ost</i>indien in <i>Westen</i> suchte. Nur dann erst bewunderte man ihn, als er noch mehr gefunden hatte, als er suchte - usw. Das alles sage ich mir zu meinem Troste. Aber dennoch möchte ich mich gern von dieser Beklommenheit entwöhnen, um so viel mehr, da ich mit Verdruß bemerke, daß sie mich immer öfter und öfter ergreift. </p><br />
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<p>Aber ich fürchte, daß es mir in der Folge wie den meisten Gelehrten von Profession gehen wird; sie werden in ihrem äußern Wesen rauh, rêche, wie der Franzose sagt, und für das gesellige Leben untauglich. Ich finde das aus vielen Gründen sehr natürlich. Sie haben ein höheres Interesse lieb gewonnen, und können sich nicht mehr an dem gemeinen Interesse erwärmen. Wenn ein anderer z. B. ein Buch, ein Gedicht, einen Roman gelesen hat, das einen starken Eindruck auf ihn machte und ihm die Seele füllte, wenn er nun mit diesem Eindruck in eine Gesellschaft tritt, er sei nun froh oder schwermütig gestimmt, er kann sich mitteilen, und man versteht ihn. Aber wenn ich einen mathematischen Lehrsatz ergründet habe, dessen Erhabenheit und Größe mir auch die Seele füllte, wenn ich nun mit diesem Eindruck in eine Gesellschaft trete, wem darf ich mich mitteilen, wer versteht mich? Nicht einmal ahnden darf ich lassen, was mich zur Bewunderung hinriß, nicht <i>einen</i> von allen Gedanken darf ich mitteilen, die mir die Seele füllen. - Und so muß man denn freilich zuweilen leer und gedankenlos erscheinen, ob man es gleich wohl nicht ist.</p><br />
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<p>Der größte Irrtum ist dann wohl noch der, wenn man glaubt, ein Gelehrter schweige aus Stolz, etwa, weil er die Gesellschaft nicht der Mitteilung seiner Weisheit wert achtet. Ich wollte schwören daß es meistens grade das Gegenteil ist, und daß es vielleicht grade der äußerste Grad von Bescheidenheit ist, der ihm Stillschweigen auferlegt. Ich rede hier besonders von großen Gelehrten, die ihr Lob in allen Zeitschriften lesen. Man besucht sie häufig um den Giganten doch einmal in der Nähe zu betrachten; man erwartet von ihnen, das wissen sie selbst, lauter Sentenzen, man glaubt, daß sie wie in ihren Büchern reden werden. Sie reden aber nur wenige gemeine Dinge, man verläßt sie mit dem Verdacht, daß sie aus Stolz geschwiegen haben, ob sie zwar gleich nur aus Bescheidenheit schwiegen, weil sie nicht immer in den erwarteten Sentenzen reden konnten, und doch nicht gern, die gute Meinung, die man von ihnen hatte, zerstören wollten.</p><br />
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<p>In solchen Lagen hat man die gelehrtesten Männer oft in der größten Verlegenheit gesehen. Unser gescheuter Professor Wünsch, der gewiß hier in Frankfurt obenan steht und alle übersieht, würde doch gewiß, des bin ich überzeugt, durch die abgeschmacktesten Neckereien des albernsten Mädchens in die größte Verlegenheit gesetzt werden können. Du weißt, wie es Rousseau mit dem Könige von Frankreich ging; und man braucht daher weder dumm noch feig zu sein, um vor einem Könige zu zittern. Ein französischer Offizier, der, als Ludwig der 14. ihn heranrief, sich zitternd seinem Könige näherte, und von ihm mit kalter königlicher Überlegenheit gefragt wurde, warum er so zittere? hatte dennoch die Freimütigkeit zu antworten: Sire, ce nest pas devant vos ennemis, que je tremble ainsi.</p><br />
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<p>Meine Briefe werden lang, mein liebes Ulrikchen; und was das Schlimmste ist, ich rede immer von mir. Verzeihe mir diese kleine menschliche Schwachheit. Vieles verschweige ich noch, das ich bis zu Deiner Rückkunft aufbewahre. Ob Dich Neuigkeiten mehr interessiert hätten, als der Inhalt dieses Briefes? - Wer weiß. Aber auf alle Fälle gab es keine Neuigkeiten, außer die alte Leier, daß die Messe schlecht sei. Die Kleist aus Schernewitz war hier, und hat mir gut gefallen. Sie will künftiges Jahr nach Flinzberg ins Bad reisen, und wünschte eine Reisebegleiterin - wen habe ich ihr wohl vorgeschlagen? Sie hat mir also förmlich aufgetragen, Dich zu dieser Reise einzuladen.</p><br />
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<p>Bis dahin denke ich wirst Du doch noch einmal nach Frankfurt kommen? Was in aller Welt machst du denn in Werben? Niemand von uns, ich selbst nicht, kann begreifen, was dir den Aufenthalt dort auf viele Monate so angenehm machen kann. Wenn es kein Geheimnis ist, so schreibe es mir. Grüße Schönfeld und Frau, Onkel und Tante Pannwitz, kurz alles was Pannwitz heißt, auch Caroline. Ist sie noch böse? - Adieu.</p><br />
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<p>Dein treuer Bruder Heinrich.</p><br />
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<p>N. S. Hier kommen noch einige Supplemente, die ich Dir zur Bekanntmachung an Pannwitz, den das interessieren wird, mitteile. Schätzel hat das 3. Batl. bekommen aber ausgeschlagen und verlangt Pension. Gaudy ist Major geworden und hat Schätzels Kompanie. Welchen Eindruck dies gemacht hat, und in welchem Tone die Grumbkow spricht, kannst Du Dir denken. Das Sonderbarste hierbei ist, daß Gen. Kleist an Hagen geschrieben hat, es täte ihm dieser Einschub, von dem er auf sein Ehrenwort nichts wüßte, sehr leid. Wir wollen nicht glauben, daß hier eine Falschheit zum Grunde liege, ob ich Dir zwar gleich in der folgenden Neuigkeit ein Beispiel von einer unerhörten, unmenschlichen Falschheit geben werde. Der Kaufmann Scholz ist seines Arrests entlassen, statt seiner sitzt seine Frau - warum? das hast Du schon zu Anfange der ganzen Geschichte vorausgesehen. Die Sache ist keinem Zweifel mehr unterworfen. Sie hat sich selbst verraten. Ein Fragment aus einem Briefe von ihrem Manne, worin sie das Wort <i>Geld</i> in <i>Gift</i> umgefälscht hat, um den Verdacht gegen ihn zu verstärken, hat sie verraten. Einige Zeugen, ein Student und zwei Mädchen, die sie bewegt hatte, einen falschen Eid für ihren Betrug zu schwören, haben sie verraten. Sie selbst hat es schon eingestanden, daß sie einen Betrug gespielt habe. - Ist es wohl glaublich, daß dies ein Weib sei? - -</p><br />
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<p><i>Zweite Nachschrift.</i></p><br />
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<p>Ich liefre Dir noch ein Supplement zum Supplement. Schätzel ist Gen. Major geworden, erhält 8oo Rth. Pension und bleibt nun in Frankfurt.</p><br />
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<p>Noch eine Hauptnachricht, die Dich vielleicht bewegen wird, sogleich nach Frankfurt zu kommen. Zengens und unsre Familie nebst viele andere Damen Frankfurts nehmen ein Kollegium über Experimentalphysik bei Wünsch. <i>Nehmen,</i> sagte ich? Das klingt ja beinah, als wäre von Medizin die Rede. So übel schmeckt es indessen nicht. Es ist eine Brunnenkur zum Nutzen und Vergnügen. Du wirst sie nicht verschmähen. Willst du die Vorlesung von Anfang an beiwohnen, so mußt Du auf irgend eine Art suchen, <i>sogleich</i> nach Frkft. zu kommen.</p><br />
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<div>[[Frankfurt an der Oder]], [[Mai]] [[1799]]<br />
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Absender: [[Kleist, Heinrich von|Heinrich von Kleist]]<br />
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Adressat: [[Kleist, Ulrike von|Ulrike von Kleist]]<br />
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Wenn ich von jemandem Bildung erhalte, mein liebes Ulrikchen, so wünsche ich ihm dankbar auch wieder einige Bildung zurückzugeben; wenn ich aus seinem Umgange Nutzen ziehe, so wünsche ich, daß er auch in dem meinigen einigen Nutzen finde; nicht gern möchte ich, daß er die Zeit bei mir verlöre, die ich bei ihm gewinne.<br />
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Wie lehrreich und bildend Dein Umgang mir ist, wie vielen wahren Vorteil Deine Freundschaft mir gewährt, das scheue ich mich nicht, Dir offenherzig mitzuteilen; vielmehr es ist recht und billig, daß ein Wohltäter den ganzen Umfang seiner Wohltat kennen lernt, damit er sich selbst durch das Bewußtsein seiner Handlung und des Nutzens, den sie gestiftet hat, belohne. Du, mein liebes Ulrikchen, ersetzest mir die schwer zu ersetzende und wahrlich Dich ehrende Stelle meiner hochachtungswürdigen Freunde zu Potsdam. Ich scheue mich auch nicht Dir zu gestehen, daß die Aussicht auf Deine Freundschaft, so sehr ich sonst andere Universitäten zu beziehen wünschte, mich dennoch, wenigstens zum Teil, bestimmte, meinen Aufenthalt in Frankfurt zu wählen. Denn Grundsätze und Entschlüsse wie die meinigen, bedürfen der Unterstützung, um über so viele Hindernisse und Schwierigkeiten unwandelbar hinausgeführt zu werden. Du, mein liebes Ulrikchen, sicherst mir den guten Erfolg derselben. Du bist die einzige die mich hier ganz versteht. Durch unsere vertraulichen Unterredungen, durch unsere Zweifel und Prüfungen, durch unsere freundlichen und freundschaftlichen Zwiste, deren Gegenstand nur allein die Wahrheit ist, der wir beide aufrichtig entgegenstreben und in welcher wir uns auch gewöhnlich beide vereinigen, durch alle diese Vorteile Deines Umgangs scheidet sich das Falsche in meinen Grundsätzen und Entschlüssen immer mehr von dem Wahren, das sie enthalten, und reinigen sich folglich immer mehr, und knüpfen sich immer inniger an meine Seele, und wurzeln immer tiefer, und werden immer mehr und mehr mein Eigentum. Deine Mitwissenschaft meiner ganzen Empfindungsweise, Deine Kenntnis meiner Natur schützt sie um so mehr vor ihrer Ausartung; denn ich fürchte nicht allein mir selbst, ich fürchte nun auch Dir zu mißfallen. Dein Beispiel schützt mich vor alle Einflüsse der Torheit und des Lasters, Deine Achtung sichert mir die meinige zu. - Doch genug. Du siehst, wie unaufhaltsam mir Dein Lob entfließt, mit wie vielem Vergnügen ich mich als Deinen Schuldner bekenne. Ich schätze Dich als das edelste der Mädchen, und liebe Dich, als die, welche mir jetzt am teuersten ist. Wärst Du ein Mann oder nicht meine Schwester, ich würde stolz sein, das Schicksal meines ganzen Lebens an das Deinige zu knüpfen.<br />
<br />
Doch genug hiervon. So viele von Dir empfangene und innig empfundene Wohltaten will ich dadurch zu belohnen suchen, daß ich unaufgefordert und mit der Freimütigkeit der Freundschaft bis in das Geheimste und Innerste Deines Herzens dringe; und finde ich es nicht, wie ich es wünsche, finde ich Dich unentschieden, wo Du längst entschieden sein solltest, finde ich Dich schlummern, wo Du längst wach sein solltest, dann will ich mit der Kühnheit der Freundschaft Dich wecken.<br />
<br />
Traue mir zu, daß es meine innige Überzeugung ist, auf welcher sich das jetzt Folgende gründet. Bei so vielen Fähigkeiten, die Deinen Verstand, bei so vielen herrlichen Tugenden, die Dein Herz schmücken, scheint es lieblos und unedel eine dunkle Seite an Dir dennoch auszuspüren. Aber grade diese dunkle Seite, ist keine unbedeutende, gleichgültige. Ich denke, sie würde Deinem Wesen die Krone aufsetzen, wenn sie im Lichte stünde, und darum wünsche ich, sie zu erhellen. Und wenn auch das nicht wäre, - wenn jemand so nahe am Ziele steht, so verdient er schon allein um der seltnen Erscheinung willen, daß man ihn ganz hinaufführe.<br />
<br />
Tausend Menschen höre ich reden und sehe ich handeln, und es fällt mir nicht ein, nach dem Warum? zu fragen. Sie selbst wissen es nicht, dunkle Neigungen leiten sie, der Augenblick bestimmt ihre Handlungen. Sie bleiben für immer unmündig und ihr Schicksal ein Spiel des Zufalls. Sie fühlen sich wie von unsichtbaren Kräften geleitet und gezogen, sie folgen ihnen im Gefühl ihrer Schwäche wohin es sie auch führt, zum Glücke, das sie dann nur halb genießen, zum Unglücke, das sie dann doppelt fühlen.<br />
<br />
Eine solche sklavische Hingebung in die Launen des Tyrannen Schicksal, ist nun freilich eines freien, denkenden Menschen höchst unwürdig. Ein freier, denkender Mensch bleibt da nicht stehen, wo der Zufall ihn hinstößt; oder wenn er bleibt, so bleibt er aus Gründen, aus Wahl des Bessern. Er fühlt, daß man sich über das Schicksal erheben könne, ja, daß es im richtigen Sinne selbst möglich sei, das Schicksal zu leiten. Er bestimmt nach seiner Vernunft, welches Glück für ihn das höchste sei, er entwirft sich seinen Lebensplan, und strebt seinem Ziele nach sicher aufgestellten Grundsätzen mit allen seinen Kräften entgegen. Denn schon die Bibel sagt, willst du das Himmelreich erwerben, so lege selbst Hand an.<br />
<br />
So lange ein Mensch noch nicht im Stande ist, sich selbst einen Lebensplan zu bilden, so lange ist und bleibt er unmündig, er stehe nun als Kind unter der Vormundschaft seiner Eltern oder als Mann unter der Vormundschaft des Schicksals. Die erste Handlung der Selbständigkeit eines Menschen ist der Entwurf eines solchen Lebensplans. Wie nötig es ist, ihn so früh wie möglich zu bilden, davon hat mich der Verlust von sieben kostbaren Jahren, die ich dem Soldatenstande widmete, von sieben unwiederbringlich verlornen Jahren, die ich für meinen Lebensplan hätte anwenden gekonnt, wenn ich ihn früher zu bilden verstanden hätte, überzeugt.<br />
<br />
Ein schönes Kennzeichen eines solchen Menschen, der nach sichern Prinzipien handelt, ist Konsequenz, Zusammenhang, und Einheit in seinem Betragen. Das hohe Ziel, dem er entgegenstrebt, ist das Mobil aller seiner Gedanken, Empfindungen und Handlungen. Alles, was er denkt, fühlt und will, hat Bezug auf dieses Ziel, alle Kräfte seiner Seele und seines Körpers streben nach diesem gemeinschaftlichen Ziele. Nie werden seine Worte seinen Handlungen, oder umgekehrt, widersprechen, für jede seiner Äußerungen wird er Gründe der Vernunft aufzuweisen haben. Wenn man nur sein Ziel kennt, so wird es nicht schwer sein die Gründe seines Betragens zu erforschen.<br />
<br />
Ich wende mich nun zu Dir, mein liebes Ulrikchen. Deiner denkenden Seele stünde jener hohe Charakter der Selbständigkeit wohl an. Und doch vermisse ich ihn an Dir. Du bist für jeden Augenblick des Lebens oft nur zu bestimmt, aber Dein ganzes Leben hast Du noch nicht ins Auge gefaßt. Aus diesem Umstande erkläre ich mir die häufigen Inkonsequenzen Deines Betragens, die Widersprüche Deiner Äußerungen und Handlungen. Denn ich sinne gern bei Dir über die Gründe derselben nach, aber ungern finde ich, daß sie nicht immer übereinstimmen.<br />
<br />
Du äußerst oft hohe vorurteilsfreie Grundsätze der Tugend, und doch klebst Du noch oft an den gemeinsten Vorurteilen.<br />
<br />
Nie sehe ich Dich gegen wahren echten Wohlstand anstoßen, und doch bildest Du oft Wünsche und Pläne, die mit ihm durchaus unvereinbar sind. Ich hoffe Du wirst mich überheben, diese Urteile mit Beispielen zu belegen. Du bist entweder viel zu frei und vorurteilos, oder bei weitem nicht genug. Die Folge davon ist, daß ich nicht bestimmen kann, ob das, was Du willst und tust, recht sei, oder nicht, und ich muß fürchten, daß Du selbst darüber unentschieden bist.<br />
<br />
Denn warum hättest Du mir, als ich Dir gestern die rasche Frage tat, ob Du Dir einen bestimmten Lebensplan gebildet hättest, mit Verwirrung und Schüchternheit, wenigstens nicht mit jener Dir eigentümlichen Reinheit und Gradheit geantwortet, Du verstündest meine Frage nicht? Meine simple Frage deren Sinn doch so offen und klar ist? Muß ich nicht fürchten, daß Du nur in der Notwendigkeit mir eine Antwort geben zu müssen, die Deiner nicht würdig ist, lieber diesen - Ausweg gewählt hast?<br />
<br />
Ein Lebensplan ist -- Mir fällt die Definition vom Birnkuchen ein, die Du einst im Scherze Pannwitzen gabst, und wahrlich, ich möchte Dir im Ernste eine ähnliche geben. Denn bezeichnet hier nicht ebenfalls ein einfacher Ausdruck einen einfachen Sinn? Ein Reisender, der das Ziel seiner Reise, und den Weg zu seinem Ziele kennt, hat einen Reiseplan. Was der Reiseplan dem Reisenden ist, das ist der Lebensplan dem Menschen. Ohne Reiseplan sich auf die Reise begeben, heißt erwarten, daß der Zufall uns an das Ziel führe, das wir selbst nicht kennen. Ohne Lebensplan leben, heißt vom Zufall erwarten, ob er uns so glücklich machen werde, wie wir es selbst nicht begreifen.<br />
<br />
Ja, es ist mir so unbegreiflich, wie ein Mensch ohne Lebensplan leben könne, und ich fühle, an der Sicherheit, mit welcher ich die Gegenwart benutze, an der Ruhe, mit welcher ich in die Zukunft blicke, so innig, welch ein unschätzbares Glück mir mein Lebensplan gewährt, und der Zustand, ohne Lebensplan, ohne feste Bestimmung, immer schwankend zwischen unsichern Wünschen, immer im Widerspruch mit meinen Pflichten, ein Spiel des Zufalls, eine Puppe am Drahte des Schicksals - dieser unwürdige Zustand scheint mir so verächtlich, und würde mich so unglücklich machen, daß mir der Tod bei weitem wünschenswerter wäre.<br />
<br />
Du sagst, nur Männer besäßen diese uneingeschränkte Freiheit des Willens, Dein Geschlecht sei unauflöslich an die Verhältnisse der Meinung und des Rufs geknüpft. - Aber ist es aus Deinem Munde, daß ich dies höre? Bist Du nicht ein freies Mädchen, so wie ich ein freier Mann? Welcher andern Herrschaft bist Du unterworfen, als allein der Herrschaft der Vernunft?<br />
<br />
Aber dieser sollst Du Dich auch vollkommen unterwerfen. Etwas muß dem Menschen heilig sein. Uns beide, denen es die Zeremonien der Religion und die Vorschriften des konventionellen Wohlstandes nicht sind, müssen um so mehr die Gesetze der Vernunft heilig sein. Der Staat fordert von uns weiter nichts, als daß wir die zehn Gebote nicht übertreten. Wer gebietet uns aber die Tugenden der Menschenliebe, der Duldung, der Bescheidenheit, der Sittsamkeit zu üben, wenn es nicht die Vernunft tut? Der Staat sichert uns unser Eigentum, unsre Ehre, und unser Leben; wer sichert uns aber unser inneres Glück zu, wenn es die Vernunft nicht tut?<br />
<br />
So innig ich es nun auch wünsche, Dich überhaupt für die Annahme irgend eines Lebensplans zu bestimmen, weil ich Dir gern das Glück gönne, das die Kenntnis unsrer Bestimmung, der sichere Genuß der Gegenwart und die Ruhe für die Zukunft gewähren, so möchte ich doch nicht gern einen Einfluß auf die Annahme eines bestimmten Lebensplanes haben. Das möge allein das Werk Deiner Vernunft sein. Prüfe Deine Natur, beurteile welches moralische Glück ihr am angemessensten sei, mit einem Worte, bilde Dir einen Lebensplan, und strebe dann seiner Ausführung entgegen. Dann wird nie wieder geschehen, was ich vorher an Dir tadelte, dann werden sich Deine Wünsche und Deine Pflichten, Deine Worte und Deine Handlungen nie widersprechen.<br />
<br />
Aber noch weit mehr als ich fürchte, Du möchtest noch bisher keinen Lebensplan gebildet haben, muß ich fürchten, daß Du grade den einzigen Lebensplan verworfen hast, der Deiner würdig wäre. Laß mich aufrichtig, ohne Rückhalt, ohne alle falsche Scham reden. Es scheint mir, - es ist möglich daß ich mich irre, und ich will mich freuen, wenn Du mich vom Gegenteile überzeugen kannst, - aber es scheint mir, als ob Du bei Dir entschieden wärest, Dich nie zu verheiraten. Wie? Du wolltest nie Gattin und Mutter werden? Du wärst entschieden, Deine höchste Bestimmung nicht zu erfüllen, Deine heiligste Pflicht nicht zu vollziehen? Und entschieden wärst Du darüber? Ich bin wahrlich begierig die Gründe zu hören, die Du für diesen höchst strafbaren und verbrecherischen Entschluß aufzuweisen haben kannst.<br />
<br />
Eine einzige simple Frage zerstört ihn. Denn wenn Du ein Recht hättest, Dich nicht zu verheiraten, warum ich nicht auch? Und wenn wir beide dazu ein Recht haben, warum ein Dritter nicht auch? Und wenn dieses ist, warum nicht auch ein Vierter, ein Fünfter, warum nicht wir alle? Aber das Leben, welches wir von unsern Eltern empfingen, ist ein heiliges Unterpfand, das wir unsern Kindern wieder mitteilen sollen. Das ist ein ewiges Gesetz der Natur, auf welches sich ihre Erhaltung gründet.<br />
<br />
Diese Wahrheit ist so klar, und das Interesse, das sie bei sich führt, dem Herzen des Menschen so innig eingepflanzt, daß es schwer wird zu glauben, sie sei Dir unbekannt. Aber was soll ich glauben, wenn Dir der, nicht scherzhafte, nur allzu ernstliche Wunsch entschlüpft, Du möchtest die Welt bereisen? Ist es auf Reisen, daß man Geliebte suchet und findet? Ist es dort wo man die Pflichten der Gattin und der Mutter am zweckmäßigsten erfüllt? Oder willst Du endlich wenn Dir auch das Reisen überdrüssig ist, zurückkehren, wenn nun die Blüte Deiner Jahre dahingewelkt ist, und erwarten, ob ein Mann philosophisch genug denke, Dich dennoch zu heiraten? Soll er Weiblichkeit von einem Weibe erwarten, deren Geschäft es während ihrer Reise war, sie zu unterdrücken?<br />
<br />
Aber Du glaubst Dich trösten zu können, wenn Du auch einen solchen Mann nicht fändest. Täusche Dich nicht, Ulrickchen, ich fühle es, Du würdest Dich nicht trösten, nein, wahrlich, bei Deinem Herzen würdest Du Dich nicht trösten. Gesetzt, es wäre Dein Wille, Dich nach der Rückkehr von Deiner Reise irgendwo in einer schönen Gegend mit Deinem Vermögen anzukaufen. Ach, dem Landmann ist ein Gatte unentbehrlich. Der Städter mag seiner entbehren, ich will es glauben, das Geräusch der Stadt kann seine geheimen Wünsche unterdrücken, er lernt das Glück nicht vermissen, das er entbehrt. Aber der Landmann ist ohne Gattin immer unglücklich. Da fehlt ihm Trost und Hülfe in Widerwärtigkeiten, da ist er in Krankheiten ohne Wartung und Pflege, da sieht er sich allein stehen in der weiten lebendigen Natur, er fühlt sich unvermißt und unbeweint, wenn er an den Tod denkt. Und selbst wenn seine Bemühungen gedeihen und mit Früchten wuchern, - wo will er hin mit allen Erzeugnissen der Natur? Da fehlen ihm Kinder, die sie ihm verzehren helfen, da drückt er wehmütig fremde Kinder an seine Brust und reicht ihnen von seinem Überflusse. - Täusche Dich daher nicht, Ulrikchen. Dann erst würdest Du innig fühlen, welches Glück Du entbehren mußt, und um so tiefer würde dies dich schmerzen, je mehr Du es selbst mutwillig verworfen hast.<br />
<br />
Und was würde Dich für so vielen Verlust schadlos halten können? Doch wohl nicht der höchst unreife Gedanke frei und unabhängig zu sein? Kannst Du Dich dem allgemeinen Schicksal Deines Geschlechtes entziehen, das nun einmal seiner Natur nach die zweite Stelle in der Reihe der Wesen bekleidet? Nicht einen Zaun, nicht einen elenden Graben kannst Du ohne Hülfe eines Mannes überschreiten, und willst allein über die Höhen und über die Abgründe des Lebens wandeln? Oder willst Du von Fremden fordern, was Dir ein Freund gern und freiwillig leisten würde?<br />
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Aus allen diesen Gründen deren Wahrheit Du gewiß einsehen und fühlen wirst, gib jenen unseligen Entschluß auf, wenn Du ihn gefaßt haben solltest. Du entsagst mit ihm Deiner höchsten Bestimmung, Deiner heiligsten Pflicht, der erhabensten Würde, zu welcher ein Weib emporsteigen kann, dem einzigen Glücke, das Deiner wartet.<br />
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Und wenn Mädchen wie Du sich der heiligen Pflicht Mütter und Erzieherinnen des Menschengeschlechts zu werden, entziehen, was soll aus der Nachkommenschaft werden? Soll die Sorge für künftige Geschlechter nur der Üppigkeit feiler oder eitler Dirnen überlassen sein? Oder ist sie nicht vielmehr eine heilige Verpflichtung tugendhafter Mädchen? - Ich schweige, und überlasse es Dir, diesen Gedanken auszubilden. -<br />
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