Brief 1805-07-00

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Königsberg, Juli 1805

Absender: Heinrich von Kleist

Adressat: Ernst von Pfuel


[Königsberg, Juli 1805]

Hier bekömmst Du den Pope, und einen alten verrosteten Schlüssel von Lexikon zu ihm; zusammen 1 Rth. 8 gr. Ich hatte außerdem noch die Wahl zwischen Thomson und Young; ich denke aber, ich werde es mit der Iliade am besten getroffen haben, ungerechnet, daß sie am wohlfeilsten war.

Was Du mir von der Verschiedenheit von dem Räderwerk in einer Uhr, und von dem Räderwerk in dem Hydrostaten sagst, ist ganz richtig, war mir auch schon selbst eingefallen. Inzwischen brauchen wir das Schaufelrad noch gar nicht aufzugeben. Allerdings ist die Geschwindigkeit, die sich aus meiner Rechnung ergeben hat, sehr gering; allein wir haben aus der Acht gelassen, daß das Resultat auch nur die Geschwindigkeit des ersten Moments angab. Dieselbe Kraft, die nötig war, diese ungeheure Masse zu bewegen, würde auch hinwiederum, wenn sie einmal bewegt ist, nötig sein, sie aufzuhalten. Das heißt, sie hat ein Beharrungsvermögen, sowohl in der Bewegung, als in der Ruhe zu verbleiben. Mithin kommt mit jedem folgenden Momente, da die Kraft immer die Geschwindigkeit C hat, wenn die Geschwindigkeit der ganzen Masse in dem vorhergehenden Momente c heißt, eine neue Geschwindigkeit C-c hinzu. Setze, ein Kauffahrteischiff wiege eine Million Pfund: so wird es gleichwohl doch häufig bei windstillen Tagen von einem Ruderboote gezogen. Das Ruderboot kann aber unmöglich von der Effikazität sein, als ein gut erfundenes Räderwerk. Es muß also schlechthin möglich sein, den Hydrostaten durch wenigstens 6 - 8 Seemeilen täglich zu führen.

Mit Gualtieri muß es irgend einen Haken haben. Es hat in einem öffentlichen Blatt gestanden, ein Gesandter einer großen nordischen Macht habe sich Schulden halber von Madrid eklipsiert. Dazu nun dieser sonderbare Todesfall, fast um die nämliche Zeit! Überdies übergeht die Kleist alles mit Stillschweigen, und noch weiß ich so oft ich sie auch darum gefragt habe, weder wie, noch wann, nicht einmal wo er gestorben ist.

Rühle ist in der Tat ein trefflicher Junge! Er hat mir einen Aufsatz geschickt, in welchem sich eine ganz schöne Natur ausgesprochen hat. Mit Verstand gearbeitet, aber so viel Empfindung darin, als Verstand. Und aus einem Stück einer Übersetzung des Racine sehe ich, daß er die Sprache (sie ist in Jamben geschrieben) völlig in seiner Gewalt hat. Er kann, wie ein echter Redekünstler, sagen, was er will, ja er hat die ganze Finesse, die den Dichter ausmacht, und kann auch das sagen, was er nicht sagt. Es ist besonders welche Kräfte sich zuweilen im Menschen entwickeln, während er seine Bemühung auf ganz andere gerichtet hat. Was hat der Junge nicht über die Elemente der Mathematik gebrütet, wie hat er sich nicht den Kopf zerbrochen, uns in einem unsterblichen Werk begreiflich zu machen, daß zwei mal zwei vier ist; und siehe da, während dessen hat er gelernt, ein Trauerspiel zu schreiben, und wird in der Tat eins schreiben, das uns gefällt.

Das Ende Deines Briefes, und Deine Wehmut daß aus unserm Plane nach Neuholland zu gehen nichts geworden ist, würde mir rührend sein, wenn ich mir einbilden könnte, daß Du wirklich etwas dabei empfunden hättest. Aber unter uns allen ist keiner, der in der Tat resigniert, als ich allein. Warum sollten wir drei, te duce, nicht ein Schiff auf der Ostsee nehmen können? Doch es wird uns kein großer Gedanke mehr ergreifen, so lange wir nicht beisammen sind. Dahin also vor allen Dingen sollten wir streben, und brauchten auch, um es zu erreichen, allerdings nichts, wie Du sehr richtig bemerkst, als es zu wollen; aber da eben liegt der Hund begraben. - Doch ich muß schließen, weil die Post abgeht. Adieu, den Smith brauche ich selbst.

H. v. Kl.


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