Brief 1807-09-17/01

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Dresden, 17. September 1807

Absender: Heinrich von Kleist

Adressat: Ulrike von Kleist


Ich habe versucht, meine teuerste Ulrike, Dir zu schreiben; doch meine Lage ist so reich, und mein Herz so voll des Wunsches, sich Dir ganz mitzuteilen, daß ich nicht weiß, wo ich anfangen und enden soll. Schreibe mir doch, ob ich nach Wormlage kommen darf, um Dich zu sprechen? Oder ob wir uns nicht, auf halbem Wege, irgendwo ein Rendezvous geben können? Ich sollte denken, dies letztere müßte möglich sein. Ich will Dich zu bewegen suchen, zu einer Buch-, Karten- und Kunsthandlung, wozu das Privilegium erkauft werden muß, 500 Rth. zu 5 p. C. auf 1 Jahr herzugeben. Adam Müller (ein junger Gelehrter, der hier im Winter, mit ausgezeichnetem Beifall, öffentliche Vorlesungen hält), Rühle und Pfuel (dem sein Bruder das Geld dazu hergibt) sind die Interessenten. Dir alle Gründe darzutun, aus welchen die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit dieser Unternehmung hervorgeht, ist schriftlich unmöglich. Rühle, der mit dem Prinzen jetzt hier ist, und der Pfueln, durch den Unterricht, den dieser dem Prinzen gibt, eine Pension von 600 Rth. verschafft hat, ist von einer praktischen Geschicklichkeit, alles um sich herum geltend zu machen, die bewundrungswürdig und selten ist. Der Herzog würde ihm sehr gern, nach Verlauf der Erziehungsperiode, einen Posten in seinem Lande geben; doch da sein unerlaßliches Bedürfnis ist, frei zu sein, so will er alles an dieses Jahr setzen, um es für die übrige Lebenszeit zu werden. Er ist es daher auch eigentlich, der an die Spitze des ganzen Geschäfts treten wird; ein Umstand, der, dünkt mich, nicht wenig für die Sicherheit seines Erfolgs spricht. Er sowohl, als ich, haben jeder ein Werk drucken lassen, das unsern Buchhändlern 6 mal so viel eingebracht hat, als uns. Vier neue Werke liegen fast zum Druck bereit; sollen wir auch hiervon den Gewinn andern überlassen, wenn es nichts als die Hand danach auszustrecken kostet, um ihn zu ergreifen? Die 1200 Rth., die das Privilegium kostet, können nie verloren gehen; denn mißglückt die Unternehmung, so wird es wieder verkauft; und die Zeiten müßten völlig eisern sein, wenn es nicht, auch im schlimmsten Fall, einen größeren Wert haben sollte, als jetzt. Die ganze Idee ist, klein, und nach liberalen Grundsätzen, anzufangen, und das Glück zu prüfen; aber, nach dem Vorbild der Fugger und Medicis, alles hineinzuwerfen, was man auftreiben kann, wenn sich das Glück deutlich erklärt. Erwäge also die Sache, mein teuerstes Mädchen, und wenn Du Dich einigermaßen in diesen Plan, der noch eine weit höhere Tendenz hat, als die merkantilische, hineindenken kannst, so sei mir zu seiner Ausführung behülflich. Ich kann Dir, wie schon erwähnt, nicht alles sagen,was ich auf dem Herzen habe, Du müßtest selbst hier sein, und die Stellung, die wir hier einnehmen, kennen, um beurteilen zu können, wie günstig sie einer solchen Unternehmung ist. Fast möchte ich Dich dazu einladen! Ich würde Dich in die vortrefflichsten Häuser führen können, bei Hazas, beim Baron Buol (Kaisl. Östr. Gesandten) beim App. Rat Körner usw., Häuser, in deren jedem ich fast, wie bei der Kl[eistenj in Potsdam, bin. Zwei meiner Lustspiele (das eine gedruckt, das andere im Manuskript) sind schon mehrere Male in öffentlichen Gesellschaften, und immer mit wiederholtem Beifall, vorgelesen worden. Jetzt wird der Gesandte sogar, auf einem hiesigen Liebhabertheater, eine Aufführung veranstalten, und Fitt (den Du kennst) die Hauptrolle übernehmen. Auch in Weimar läßt Goethe das eine aufführen. Kurz, es geht alles gut*, meine liebste Ulrike, ich wünsche bloß, daß Du hier wärest, und es mit eignen Augen sehen könntest. Schreibe mir auf welche Art wir es machen, daß wir uns auf einen Tag sprechen, und sei versichert, daß ich ewig Dein treuer Bruder bin, H. v. Kl.

Dresden, den 17. September 1807

  • Kürzlich war ich mit dem östr. Gesandten in Töplitz: bei Gentz, wo ich eine Menge großer Bekanntschaften machte. - Was würdest Du wohl sagen, wenn ich eine Direktionsstelle beim Wiener Theater bekäme? - Grüße alles in Wormlage.

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