Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 321)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Friedrich Laun, Memoiren (1837)

Kleist war der unversöhnlichste Feind der Franzosen als Unterdrücker Deutschlands und vor allem des französischen Kaisers. Ihn aus dem Wege räumen, durch welche Mittel es auch geschehen möchte, würde ihm für die höchste Tugend gegolten haben, und als er Dresden verließ, befürchtete eben der Freund, dessen Güte er seitdem mehrmals zum Vorlesen seiner neugeschaffenen Werke in Anspruch genommen hatte [Hartmann], gar sehr, er könne in seiner Verblendung wohl so weit gegangen sein, um selbst einen rächenden Brutusarm gegen den neuen Cäsar zu erheben. Und kurz nach seiner Entfernung von Dresden schon langt ein Brief an, worin Kleist seinen Freund ersucht, ihm eine Quantität Arsenik zu besorgen und zuzusenden, da er an seinem jetzigen Aufenthaltsorte keinen Arzt kenne, welcher ihm zu dergleichen behülflich sein würde; die Apotheker oder andere den Artikel führende Gewerbetreibende aber ihm ohne besondere Ausweisung über den Gebrauch als Nichtmediziner nichts verabfolgen lassen dürften.

Der Beauftragte, in der festen Überzeugung, Kleist denke das Gift nach dem Vollbringen des beabsichtigten Unternehmens im Notfalle gegen das eigene Leben anzuwenden, geriet natürlich in große Verlegenheit, wurde aber bald mit sich einig, keinenfalls darauf einzugehen. Vielmehr suchte er ihm in einem Briefe ausführlich darzutun, daß Kleist, allen seinen Eigenschaften nach, sich durchaus nicht eigne, die blutige Rolle mit Erfolg durchzuführen. Sodann behauptete er auch, in Rücksicht des Ankaufs, ganz in dem Falle zu sein als er, und niemand zu wissen, durch den er ihn könne bewirken lassen.

Hierauf aber erhält er mit Stafette einen zweiten Brief. Die Bedenken wegen des Erfolgs sind darin mit Geschicklichkeit abgeworfen, zugleich angekündigt, daß ein gemeinschaftlicher guter Bekannter von ihnen beiden, ein Gutsbesitzer, den Arsenik in einer zum Gute gehörigen Apotheke besorgen und ihm, dem vormaligen Vorleser, übersenden werde, von dem er das Gift sodann ohne Verzug zugeschickt erwarte.

Wirklich ist es auch keine leere Vertröstung. Der Arsenik trifft ein, doch steht der Beauftragte natürlich mit dem Absenden an und überläßt ihn einer Apotheke in Dresden.

(Sembdners Quelle: Laun, Friedrich: Memoiren. Bd. 2, Bunzlau 1837, S. 163-65)


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