Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 436d)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Bericht der Untersuchungskommission, 9. Dezember 1810

Darstellung der in der Allerhöchst befohlenen Untersuchung über die am 26ten November 1810 im Schauspielhause vorgefallenen Unruhen, und die Personen der Theilnehmer an denselben erfolgten Ausmittelungen.

Das Singspiel: die Schweizerfamilie, wurde schon früher, als es selbst auf die Bühne gebracht war, zu einem Gegenstande der allgemeinen Aufmerksamkeit dadurch gemacht, daß in öffentlichen Blättern und namentlich in den sogenannten Abendblättern und den hiesigen Zeitungen, besonders der Besetzung der Rollen desselben Erwähnung geschehn. Es leuchtet schon hieraus hervor, daß man mit der Rollen-Vertheilung, welche der General-Direction des Theaters beliebt hatte, nicht recht einverstanden war, und es offenbarte sich schon damals von irgend einer Seite gegen die Schauspielerin Herbst in Hinsicht auf jenes Singspiel eine ungünstige Stimmung. …

[19.] von Kleist Major ist nach wiederhergestellter Ruhe dem wachthabenden Offizier von mehreren Seiten als einer angezeigt worden, der den meisten Lärm gemacht haben soll. Der wachthabende Unter-Offizier hat ihn nicht allein bei dem Lärmen fortdauernd thätig gesehen, sondern auch vor dem Anfange der Vorstellung bemerkt, wie er bei denen unter den Offizieren statt gefundenen Gesprächen über die bequemste Plätze und deren Besetzung sich vorzüglich ausgezeichnet habe. Alle Bemühungen, ihn von Seiten des Gouvernements oder der Polizey auszumitteln, sind indessen fruchtlos gewesen, und er hat daher nicht vernommen werden können.

[20.] von Arnim der jüngere [d. i. Achim v. Arnim] gehört ebenfalls zu den Gesellschaften bei dem v. Möllendorff. Dort hat man eines Tages nach dem Vorfall behauptet, daß er mit gepocht habe. Er soll darauf aber erklärt haben, daß er bei dem Vorfall seinen Stock in die Höhe gehalten hätte, damit man sehe, daß er nicht poche. Er ist in dem zu seiner Vernehmung angesetzten Termin nicht erschienen und ist wegen der Geringfügigkeit seiner Concurrenz, und um die Sache nicht weiter aufzuhalten, nicht wieder vorgeladen.

(Sembdners Quelle: Grathoff, Dirk: Die Zensurkonflikte der »Berliner Abendblätter«. In: Klaus Peter u. a., Ideologiekrit. Studien z. Literatur, Essays I, Frankf./M. 1972, S. 155-168 (Anhang))

[Anmerkung Sembdner: »Bei dem 19. Beschuldigten [Major v. Kleist] handelt es sich schwerlich um Heinrich von Kleist, sondern vermutlich um den Major v. Kleist, den Ehemann Marie v. Kleists.«]


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