Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 533)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Verhandlungsbericht des Hoffiskals Felgentreu. Gasthof bei der Friedrich-Wilhelms-Brücke, 22. November 1811

Da dem unterschriebenen Richter von Heinersdorf durch den Königl. Polizey-Rath Herrn Meyer durch das Schreiben vom gestrigen Tage, welches heute Morgen eingegangen, angezeigt worden, daß sich auf dem Territorio von Heinersdorf eine fremde Mannsperson, und eine Dame erschossen hätten, so hatte man sich heute, nebst dem hierzu zuvor requirirten Kreis-Physicus Herrn Doctor und Hof-Medicus Sternemann und Stadt-Chirurgus Greif anhero begeben.

Man fand die beiden Leichen auf einem ungefähr 100 Schritt von der Chausse zur linken Hand ab, dicht an der sogenannten kleinen Wannsee liegenden Hügel, welcher auf der Mittagseite mit Bäumen bewachsen, die Aussicht auf einen Theil der Wannsee, und der Chausse nach Potsdam gewährt, und zwar beide in einer kleinen Grube, welche ungefähr 1 Fuß tief ist und 3 Fuß im Durchmesser hat, mit dem Gesicht gegen einander über, Fuß zwischen Fuß sitzend, ihre Ober-Körper jedoch rückwärts über gelegt, die Mannsperson mit einem braun tuchenen Überrock, weißer Battist-Musselin-Weste, grauen, tuchenen Hosen, und runden Schlappstiefeln, bekleidet, das Gesicht um den Mund herum, jedoch nur wenig, mit Blut beschmutzt; die Frauensperson aber in einem weißen Batist-Kleide, blau tuchenen feinen Überrock, und weißen glassé-Handschuhen bekleidet, und einem blutigen Fleck von der Größe eines Thalers unter der lincken Brust, auf dem Kleide, welches an dieser Stelle auch verbrannt zu seyn schien. Sonst waren keine Spuren äußerer Gewalt an beiden Körpern zu entdecken ....

Denatus [der Verstorbene] war nach unserm Dafürhalten, circa 30 Jahr, hatte schwärzliche Haare, einen schwärzlichen Bart, und blaue Augen. …

[Fortsetzung des Protokolls]

Nach beendigter Obduction der sich gestern, allhier an der Heide auf einem Hügel entleibten Mannsperson, wurde gleicherweise mit der Obduction der Frauensperson verfahren.

Sie wurde zuförderst durch den gegenwärtigen Herrn Krieges- Rath Peguilhen als die Ehefrau des Königl. Rendanten von der Landschafts-Casse Herrn Vogel zu Berlin regnoscirt, und bemerkte derselbe, daß sie Adolphine geborene Kaeber heiße, circa 34 Jahre alt, und ihr Vater annoch in Berlin am Leben sey. Gleicherweise recognoscirte sie auch der Gastwirth Stimming als diejenige Person, welche am Mittwoch Nachmittag in Gesellschaft einer Mannsperson, des vorerwähnten v. Kleist, zu ihm gekommen, bei ihm [bis] gestern Nachmittag logirt, und sich gegen 4 Uhr entfernt, demnächst aber gleich darauf erschossen vorgefunden worden.

Die Denata [Verstorbene] hatte außer den im Protocoll vom heutigen Dato erwähnten Kleidungsstücken, feine weiße baumwollene Strümpfe, schwarze corduane Schuh mit schwarzen Band um den Fuß gebunden, an, und blaue seidene schmale Strumpfbänder um.

Übrigens war sie mit Unterziehbeinkleidern bekleidet, und hatte sehr feine Leibwäsche.

Obducentes verfuhren nun mit der Obduction der Denata folgendermaßen, und bemerkte Physicus subscriptus [Sternemann] zuförderst, daß er in der Denata seine 20jährige Freundin, die gewesene Demoiselle Kaeber erkenne, so wie er auch ihren Ehegenossen, den Rendanten Vogel seit vielen Jahren kenne.

(Sembdners Quelle: Minde-Pouet, Georg: Kleists letzte Stunden. Teil 1 (mehr nicht ersch.): Das Akten-Material. Berlin 1925, S. 10f. – Blankenagel, John C.: A Note of the Publication of Kleist's »Käthchen von Heilbronn«. Modern Langnage Notes, Dez. 1929, S. 524-26)


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