Heinrich von Kleists Nachruhm (NR 14)

Heinrich von Kleists Nachruhm. Eine Wirkungsgeschichten in Dokumenten. Herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle NR und laufender Nummer zitiert.]

6. Dez. Über Kleists Tod steht noch eine Anzeige von dem Witwer in den Berliner Zeitungen, die äußerst auffallend ist. Man sieht daraus, daß Kleists Geliebte noch eine Tochter und einen Vater hatte. Der Ehemann aber ist mit allem zufrieden und hofft auch die übrigen Interessenten über diesen Tod, der »so rein war, wie ihr Leben«, beruhigen zu können. Pfuel dauert mich, der von Herzen Kleists Freund war, und sehr bei dieser Geschichte leiden wird. Mir war sie um so auffallender, da man kurz vorher erzählt hatte, daß Kleist von der Hendel [-Schütz] sehr eingenommen wäre.

13. Dez. Von Kleists Tode schreibt die Chodowiecka an die Piattoli, Kleist habe eigentlich nicht die Vogel, sondern eine andere Frau (auch nicht die Hendel) geliebt. Dieser habe er die Erschießenspartie proponiert, aber kein Gehör gefunden. Die Vogel sei erst nachher zu diesem Tanz aufgefordert worden, und da sie ohnedem wegen eines Krebsschadens habe sterben wollen, so sei sie geneigt dazu gewesen.

27. Dez. Was Du über Kleists Ende und den Selbstmord überhaupt schreibst, ist mir nicht recht deutlich. Es können wohl Fälle eintreten, wo der höchste Grad der Verzweiflung ein schonendes Urteil verdient, aber ich begreife nicht, wie der Selbstmord für denjenigen, der nicht bloß in der Welt der Sinnlichkeit und der Leidenschaft lebt, sondern an eine höhere Ordnung der Dinge glaubt, jemals eine löbliche Handlung werden könne! Und selbst wo die Stimme der Religion nicht gehört wird, bleiben noch Gründe genug übrig, um in dem freiwilligen Tode nur einen Befehl des Trotzes, der Schwäche und der Trägheit zu finden.

(Chr. G. Körner an Körner Theodor. Dresden, Dezember 1811)

Heinrich von Kleists Nachruhm (NR 14)

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